Dorfhochzeit

oder: Die Geschichte von Noy und Yai

Auch so ein kleines Dorf, wie das, in dem ich nun lebe, bietet reichlich Ereignisse, die es lohnen aufgeschrieben zu werden. So z.B. die Geschichte von Noy und Yai...

Noy und Yai

Vor kurzem herrschte im Nachbarhaus große Aufregung. Die 15-jährige Tochter (Noy) des Hauses hatte sich mit dem 20-jährigem Yai aus dem Nachbardorf in einem Zimmer eingeschlossen, was den Verdacht nahelegte, das da wohl "Verbotenes" passierte. Die aufgeregten Eltern hämmerten so lange an die Tür, bis die Beiden verlegen und verstört herauskamen. Mittlerweile war fast das ganze Dorf versammelt und heftig wurde auf die "Sünder" eingeredet, die tränenüberströmt das Gewitter über sich ergehen ließen. Nun war zu beratschlagen, wie man aus diesem Dilemma wieder herauskam. Die Eltern und das Mädchen hatten das Gesicht verloren und der Schuldige saß wie ein Häufchen Unglück da. Nachdem auch der Dorfälteste hinzugerufen wurde, war schnell klar, wie die Sache zu regeln war. Nur eine Heirat konnte die Ehre wiederherstellen. Mit diesem Bescheid wurde der junge Mann nach Hause geschickt, um seine Verwandten davon in Kenntnis zu setzen. Bei Reisschnaps und Essen ging die Debatte noch bis in die späte Nacht. Man weiß hier halt, wie man unvorhergesehene Ereignisse in eine Feier umwandeln kann!

Am nächsten Morgen - ich traute meinen Augen und Ohren kaum - versammelten sich beide Familien (und das halbe Dorf) um 6 Uhr, um die Einzelheiten der Hochzeit zu besprechen. Etwa eine Stunde ging es um das Brautgeld, welches die Familie von Yai zu zahlen hatte. Geboten wurden 10.000 Baht, die Familie von Noy verlangte 30.000 Baht. Nach zähen Verhandlungen einigte man sich auf die "goldene Mitte". Es wurde noch der Termin der Hochzeit festgesetzt und dann war alles klar. Nun wurde der Reisschnaps hervorgeholt und Essen aufgefahren.

Es dauerte nicht lange, bis sich die "neuen Verwandten" in den Armen lagen. Dazu trug sicherlich auch der reichlich genossene Reisschnaps bei. Gegen Mittag war das gegenseitige Kennenlernen beendet und man ging - sofern man noch gehen konnte - friedlich nach Hause.

Noy und Yai, die bei diesem Treffen eigentlich nur Randpersonen waren, machten einen recht zufriedenen Eindruck. Als ich zu den Beiden sagte, daß sie recht schlau wären, grinsten sie nur und legten beschwörend den Finger auf den Mund. Dazu muß man noch wissen, daß einige Tage vorher die Eltern von Noy den Umgang mit Yai strikt verboten hatten. Die Beiden wußten genau, was nach hiesiger Tradition und Moralvorstellung ihrem Tun folgen würde. Nun war ihr Ziel erreicht.

Die Hochzeit

Ereignisse werfen ihre Taten voraus. So auch diese Hochzeit. Schon 3 Tage vorher begannen die Aktivitäten, an denen sich, wie hier üblich, die Dorfgemeinschaft beteiligte. Das Haus wurde geputzt, der Vorplatz gereinigt und dergleichen mehr. Das einzige Auto des Dorfes wurde ausgeliehen und auf dem Markt in Nong Khai groß eingekauft. Getränke wurden angeliefert - hauptsächlich Reisschnaps und neben etlichen Hühnern wurde auch ein junger Wasserbüffel geschlachtet. Am Vorabend wurde direkt vor meinem Haus (da war der meiste Platz) ein Zelt aufgestellt und mit Tischen und Stühlen versehen. Abends zeigte mir Noy ihr Brautkleid. Es war im alten Thaistil gearbeitet und sah wirklich wunderschön aus.

Man hatte mich schon vorgewarnt, daß ich am Tag der Hochzeit nicht lange schlafen könnte, doch das ich so geweckt würde, hatte ich nun doch nicht erwartet. Dazu muß ich noch erwähnen, daß ich in einem Holzhaus wohne, welches auf ca. 3 Meter hohen Stützen gebaut ist. Der Platz darunter dient tagsüber als luftiger Aufenthaltsraum.

Direkt unter meinem Bett war ein Wagen geparkt, auf dessen Ladefläche große Lautsprecher gestapelt waren. Genau um 6 Uhr wurde die "Krachmaschine" gestartet und in voller Lautstärke erklangen Lieder aus dem Isaan (Nordostthailand). ICH WAR WACH!

Die ersten Gäste trafen ein und ein lustiges Treiben begann. Essen wurde gereicht und auch die ersten Flaschen Reisschnaps machten die Runde und schon bald sangen und tanzten einige Gäste die Isaan-Lieder mit. Hier macht man keine Hochzeitsgeschenke im üblichen (deutschem) Sinn, sondern es werden Briefumschläge mit Geld überreicht. Das halte ich auch für praktischer, entfallen doch doppelte Dinge und das Umtauschen derer. Das Essen war gut, aber sicher nicht für jeden essbar. Damit meine ich Leute, die nicht aus dem Isaan kommen. Das Fleisch des besagten Wasserbüffels wurde nur kurz angekocht und dann mit einer sehr scharfen Soße und Klebereis gegessen. Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, schmeckt es wirklich gut. Die Hühner waren auch für "Normale" essbar.

Ankunft

Während immer mehr Gäste eintrafen, wurde die junge Braut zurechtgemacht. Sie wurde geschminkt, auch die Haare wurden kunstvoll zurechtgelegt und mit Perlschnüren verziert. Mich hatte man gefragt, da ich einen Fotoapparat habe, ob ich den Tag wohl in Bildern festhalten würde. So knipste ich auch die "unvollständige" Braut, die ihr werdendes Outfit später im Bild sehen wollte. Gegen 10 Uhr traf der Bräutigam ein und wurde von einer gut 40 Personen starken Gruppe begleitet, die aus seiner Familie und Freunden bestand. Die 3 km vom Nachbardorf hatte man - trotz des starken Regen, der leider an diesem Tag niederging - zu Fuß in einer Art Umzug zurückgelegt. Yai war in traditionelles Weiß gekleidet und wurde von den Brauteltern mit Wasser und Reis empfangen. Noy erwartete ihren Yai im Wohnzimmer, welches mit etlichen Reisstrohmatten ausgelegt war, auf denen die unmittelbaren Verwandten der Vermählung beiwohnen konnten.

Zeremonie

Der Platz von Noy und Yai und den beiden Trauzeugen war mit wunderschönen Blumenarrangements besonders geschmückt. Der Dorfälteste traf ein und hielt die Trauzeremonie ab, die über die Lautsprecher der "Krachmaschine" nach draußen übertragen wurde. Soweit ich die Isaansprache verstanden habe, sprach er von der besonderen Institution Ehe, von den Rechten und Pflichten der Eheleute gegeneinander, von der nie endenden Liebe zueinander. Zum Abschluß wurden Noy und Yai, sowie die Trauzeugen mit Wasser aus dem Mund des Dorfältesten besprüht und die eigentliche Trauung war vollzogen. Zum Zeichen, daß man dem jungen Ehepaar viel Glück wünscht, wurde nun von allen Anwesenden weiße Garnbändchen um die Handgelenke von Noy und Yai gebunden. Allein dies dauerte gute eineinhalb Stunden, in denen die Beiden in kniender Stellung ausharren mußten. Zum Abschluß der Zeremonie wurde das junge Paar in ihr prächtig ausgeschmücktes Schlafzimmer begleitet und dann allein gelassen - wie es sich ja wohl auch gehört.

Damit war dann auch das Fest beendet und die Gäste strebten nach und nach dem eigenem Heim zu.

* guk
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