Von Paul Imhof
och in den frühen Morgenstunden nach der Bundesfeier stinkt die Stadt zum Himmel.
Während der Nacht haben die Bewohner nach Luft gerungen, sind fast erstickt an
Wurstgeruch und Schwefelschwaden. Das ist der Duft des Patriotismus. Dagegen ist
nichts einzuwenden. Es gibt lohnenswertere Gründe, sich mit den Puurezmörgelern
anzulegen. Aber Jahr für Jahr verbranntes Fleisch und den Atem des Teufels sich
einzuverleiben, können solche Rituale noch spannend sein? Praktisch bestensfalls zu
später Stunde, wenn alle Dämme gebrochen sind: Kohle stoppt Sünnpfiff, und Schwefel
stärkt die Haltbarkeit.
Selbstverständlich richtig dosiert. Aber ich will eigentlich keinen Leitfaden für
Festgänger verfassen, dies führte zu weit, in Basel muss man ja neuerdings zum
Feuerwerk kugelsichere Westen tragen. Auch möchte ich mich nicht weiter fragen,
warum man immer, sobald die Nächte schwinden und die Temperaturen steigen, Russwaren
vertilgen muss. Offenbar können sich im Angebot der Freiluftkneipen neben Kebap und
Panini keine anderen Spezialitäten aus fremden Welten behaupten.
iesen kläglichen Umstand bedauern seit längerem auch drei Freunde. Sie haben sich
deshalb, in der unbehaglichen Erwartung des üblichen Dufts der feiernden Patrioten
ihren persönlichen Koch einfliegen lassen. Nat, 33 Jahre alt, gebürtig aus dem
Nordosten Thailands, Inhaber des Restaurants "Red Onion" in Phuket Kata
Beach, ein Koch aus Leidenschaft, besonnen und berufen. Ich hatte das Vergnügen, zum
grossen Essen anlässlich der Bundesfeier eingeladen zu werden.
Zum Apéero wird Champagner gereicht, zum Essen ein weisser Protugiese. Thaikost ist
keine Weinküche, es eignen sich zur flüssigen Begleitung nur wenige Rebsorten,
kräftig-fruchtige vor allem, mit einem Schuss Süsse, beispielsweise Gewürztraminer,
Sauvignon blanc und natürlich Weine aus dem Süden, deren Cépages hier selten im
Gedächtnis haften bleiben.
Zum Auftakt gleich eines der leckersten Gerichte Siams: Tom Kha Gai, Hühnersuppe mit
Kokosmilch.
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Mit Poh Piah, frittierten, mit Fleisch, Gemüse und Glasnudeln gefüllten
Frühlingsrollen, demonstriert Nat, dass auch die Thais ihren Nachbarn viel zu
verdanken haben, im Falle der Frühlingsrollen den Vietnamesen und Chinesen. Aus
Indonesien stammen die Sateh Gai, gegrillte Hühnerspiesschen. Sie haben sich so
schnell durchgesetzt, dass sie nicht einmal einen Thainamen erhalten haben. Die
schärfliche Erdnusssauce, auch sehr typisch indonesisch, freut den thailändischen
Gaumen besonders.
enn ich an die Hauptgänge denke, läuft mir sofort wieder das Wasser im Mund
zusammen: Nam Tok, Rindfleischsalat mit Zwiebeln, getrockneten und frisch gehackten
Chillies, Limettensaft, Fischsauce und einem Blatt, dem wir auch nach einer Stunde
Telefonieren den deutschen Namen nicht zuordnen können; weiter mit Larb Nua,
Hackfleisch mit würziger Minze, und natürliche Gaeng Kheow Wan Moo, grünes Curry mit
Schweinefleisch - eine Wucht, dieses scharf gewürzte Gericht aus dem Isaan, Nats
Heimat, das wie ein Friction durch das Gekröse schrammt.
Dies ist bei weitem nicht alles, was Nat uns kredenzt. Wir sitzen unter freiem
Himmel unter Trommelfeuer von Pauken und Petarden, die aus allen Richtungen über und
neben uns krachen und vorbeiheulen. In Kopf und Magen breitet sich Hochgenuss aus;
Schweissbäche rinnen über die Stirn und den Rücken herunter. Trotzdem: Thaiküche ist
erfrischend! Es sind die Temperaturen und der Wein, die uns das Wasser aus dem
Körper saugen.
Nat, den Küchenmagier, lassen die Petarden kalt. Nat erzählt, wie er das Kochen
erlernt hatte. In Deutschland, als er die Sprache studierte und sich die Freizeit
mit Lektüre vertrieb, dabei auf Kochbücher stiess und das heimatliche Essen immer
heftiger vermissend, seinen Notstand schliesslich selber behob.
in Chauvinist ist er nicht geworden. So wenig wie sein König, der Bilder aus dem
Engadin nach Hause gebracht hatte - zu sehen im kurzen biografischen Filmchen, das
zum Abspiel der Landeshymne in thailändischen Kinos läuft. Nats Mitbringsel sind
handfest und paritätisch europäisch; sie gehen, wie jede Liebe, durch den Magen:
Tzatziki, Dolmades, Schweinshaxen und Schafskäse.
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